Heidelberg – „Nachttanzdemo“ sorgt im Stadtgebiet für Verkehrsbehinderungen; kurzzeitige Hausbesetzung am Rande des Aufzugs
19.10.2014 | 01:41 Uhr
Heidelberg (ots) – Durch die sogenannte „Nachttanzdemo“ kam es am Samstagabend zwischen 18.oo Uhr und 22.30 Uhr in der Altstadt und Bergheim zu Beeinträchtigungen für den Individualverkehr und den ÖPNV. Zeitweise bis zu 1000 Teilnehmer zogen nach einer Auftaktkundgebung am Bismarckplatz über die Friedrich-Ebert-Anlage zum Uniplatz und wieder zurück in die Bergheimer Straße, weshalb die Straßen temporär für den Verkehr gesperrt werden mussten. Am Rande des Aufzugs kam es in Bergheim zu einer kurzzeitigen Hausbesetzung. Die eingesetzten Polizeikräfte hatten die Situation jedoch schnell unter Kontrolle. Gegen 22.00 Uhr war die Veranstaltung beendet.
Hintergrund der Aktion (s. ASTA kit)
Nachttanzdemo „Recht auf Stadt“
Für ein Recht auf Stadt ohne Überwachung, Anpassungszwang und Kontrolle
Für ein Recht auf Stadt jenseits kommerzieller Interessen
Für ein Recht auf Stadt ohne Verdrängung
Wir leben in der neoliberalen Stadt. Öffentliche Unternehmen wurden
privatisiert. Unsere Plätze gehören schicken Cafés und an ihre Tische
dürfen wir uns nur setzen, wenn wir bestellen und zahlen. Selbst wenn
wir uns mit Bus und Bahn in der Stadt bewegen, sollen wir einen
Fahrschein kaufen. Zu manchen Zeiten dürfen wir sogar nur mitmachen,
wenn wir besonders viel Geld zahlen: Das günstige Bier aus dem
Supermarkt ist in Baden-Württemberg nach 22 Uhr verboten, wer aber genug
Geld hat, kann sich selbst Cocktails an der Bar ordern. Wenn wir so
wenig Geld haben, dass wir froh sind, wenn wir ein Zuhause auf den
Straßen der Stadt gefunden haben, verteiben uns Polizei und Securitys
von den Straßen.
-> Für ein Recht auf Stadt jenseits kommerzieller Interessen
Wir haben zu kämpfen mit steigenden Mietpreisen. Frühere städtische
Sozialwohnungen wurden privatisiert und die Rendite soll jetzt steigen.
Jede Sanierung des Hauses und jede Aufwertung des Viertels ist für uns
kein Grund zu feiern, denn für uns bedeutet es, sich das Zuhause nicht
mehr leisten zu können. Die Viertel die wir erst beseelt haben, werden
uns zu teuer. Wir sind gezwungen an den Stadtrand zu ziehen.
Gentrifizierung heißt dieser Prozess, doch er muss nicht stattfinden.
-> Für ein Recht auf Stadt ohne Verdrängung
Wir wollen in verschiedenen politischen und sozialen Formen
zusammenleben, in bunten Häusern, Wohnprojekten, besetzten Häusern oder
auf Wagenplätzen. Doch Gesetze und Richtlinien sind starr nur auf
übliche Wohnformen ausgelegt. Sie engen uns ein, schickanieren oder
schlimmer noch, führen zur Räumung.
-> Für ein Recht auf Stadt aller Wohnformen gleichberechtigt nebeneinander
Wir sehnen uns nach einem Ort, an dem wir uns treffen und austauschen
können. Wo wir träumen, planen und neue Formen des Miteinanders
ausprobieren können. Ein Ort in dem nicht kommerzielle Vorträge,
Workshops, Konzerte und Partys stattfinden. Wo es Platz für politische
Gruppen und Plena gibt.
-> Für ein Recht auf Stadt mit einem autonomen Zentrum
Wenn wir als Geflüchtete hier herkommen, werden wir in Lagern fern der
Stadtzentren untergebracht. Die sogenannte Residenzpflicht verbietet es
uns die Städte aufzusuchen, die in einem anderen Bundesland liegen.
Statt Geld erhalten wir erniedrigende Gutscheine, die uns von jeder
Bezahlung ausschließen. In unserer eigenen Stadt dürfen wir nicht arbeiten.
-> Für ein Recht auf Stadt von Geflüchteten
Doch auch wenn wir hier ganz normal leben, vielleicht sogar hier geboren
sind, bekommen wir manchmal zu hören, dass wir hier nicht hingehören.
Wenn wir nicht deutsch genug heißen, ist es schwierig sich auf eine
Wohnung zu bewerben. Wenn wir nicht deutsch genug aussehen, werden wir
abends von den Clubs an der Tür abgewiesen. Auch der Staat macht mit:
“Racial Profiling” heißt die Praxis; die Polizei kontrolliert Menschen,
die nicht deutsch aussehen, weil sie angeblich häufiger gegen das
Aufenthaltsbestimmungsrecht oder andere Gesetze verstoßen.
-> Für ein Recht auf Stadt ohne den alltäglichen Rassimsus
Wenn wir ein Kleid tragen, wird kommentiert ob es gefällt und wie wir
darin aussehen. Wir hören Anmachen oder Beleidigungen. Wir sind aber
nicht hier um andere zu unterhalten.
Wenn wir Männer, Frauen oder andere Geschlechter küssen, bekommen wir zu
hören, es wäre eklig oder falsch. Wir haben es satt, dass unsere
Identität, unsere Liebe oder unser Begehren ständig ungefragt
kommentiert wird.
-> Für ein Recht auf Stadt jenseits von Homophobie, Sexismus und Patriarchat
Wenn wir durch die Stadt gehen, wollen Polizist*innen unsere Ausweise
sehen und durchwühlen unsere Rucksäcke. Sie begleiten unsere
Demonstrationen mit Schlagstöcken und Pfefferspray. Wenn wir öffentliche
Plätze überqueren, überwachen Videokameras unser Verhalten. Wenn wir
durch die Stadt gehen, speichern Geheimdienste ständig Positionsdaten
unserer Mobiltelefone und wenn wir telefonieren, hören sie mit. Schon
vor der Strafe führt die bloße Überwachung dazu, dass Menschen nicht
unbeschwert leben, sondern sich aus Angst angepasst und konformistisch
verhalten.
-> Für ein Recht auf Stadt ohne Überwachung, Anpassungszwang und Kontrolle
Wir wollen bewusst machen, dass unsere Probleme nicht im luftleeren Raum
entstanden sind. Mit der Erschaffung eines Kollektivs ist immer die
Ausgrenzung von denen verbunden, die nicht zum Kollektiv gehören. Die
Erhöhung der eigenen Gruppe bedeutet die Abwertung der fremden Gruppe.
Ein Wirschaftssystem, das auf Wettkampf und Konkurrenz, auf Druck und
Ellbogen aufgebaut ist, produziert Versagensängste und Verlierer*innen.
Oft scheint die einzige Möglichkeit die selbsterfahrene Gewalt an andere
Menschen weiterzugeben oder Sündenböcke zu suchen. Stattdessen aber
sollten wir die gesellschaftlichen Verhältnisse so ändern, dass sich
jede* nach ihren Fähigkeiten und nach ihren Bedürfnissen einbringen
kann. Für eine Welt, in der alle ohne Angst verschieden sein können.
-> Für ein Recht auf Stadt jenseits von Staat, Nation und Kapital
Daher rufen wir auf: Kommt alle zum “Recht auf Stadt-Kongress” und zur
Nachttanzdemo, 17. – 19. Oktober 2014 in Heidelberg.
s. ASTA kit