(hjj) Taeter-Theater Heidelberg im Landfriedkomplex in der Bergheimer Strasse, wer es nicht kennt, nicht leicht zu finden. Hat man es gefunden so wird man sehr überrascht sein – ein Theater der aussergewöhnlichen Art. Kein Dresscode – nix mit Smoking oder kleinem Schwarzen, einfach nur hingehen und sich angenehm überraschen lassen. Eingang wie ein Lagerhaus oder Scheune – im Eingangsbereich gibt es Kasse, Ausschank, Garderobe und viele Kleinigkeiten die aber nicht an ein Theater im bekannten Sinn erinnern. Das Programm für mich war Nathan der Weise – von Lessing – Premierenaufführung. Ich kannte das Stück, keine leichte Kost, aus meiner Schulzeit, die Reclam-Hefte, so glaube ich, sind vielen noch geläufig. Es sollte eine „andere Inszenierung“ sein, ließ ich mir im Vorfeld sagen – so war es auch ! Ohne großen Personalaufwand, Schauspieler waren Kassenpersonal, am Ausschank und „Kulissenschieber“ – na ja, dachte ich !
Ich erhielt ein „Regie-Buch“, in dem einige „Originaltexte“ gestrichen wurden und handschriftliche Ergänzungen erfahren hatte. Nicht lesen – einfach nur anschauen und überraschen lassen, dachte ich mir. Überraschung gelungen – soviel vorweg. Um der Langatmigkeit zu umgehen und die Steifigkeit Lessing’s, nicht despektierlich, zu begegnen, hatte der verantwortliche, inszenierende und mitspielende Wolfgang Grazol (Nathan) einige „moderne“ Aspekte, wie „Deutschland“, „Europa“ und Nahostkonflikt im heutigen Sinn, eingebaut. Ich denke die Handlung nicht detailliert erklären zu müssen, aus einem schweren Stück, eine leicht verständliche, das Original nicht verfälschende Inszenierung zu erarbeiten ist schon meisterlich. Die Schauspieler, mit einer Ausdruckskraft an Mimik und emotionaler Wirkung perfekt gespielt, waren schlicht KLASSE ! Das Toleranzdenken wird hier deutlich und beispielhaft zum Ausdruck gebracht. Der Brückenschlag vom 12. Jahrhundert zur Neuzeit, kann nicht besser dargestellt werden. Mit Witz und geistiger Finesse arbeitet Wolfgang Grazol, die Geschichte auf und zeigte mit seinem Schauspielerteam, von der jungen, verliebten und unbedarften Recha (Dania Graf) bis zum kirchlichen Patriarchen von Jerusalem (Peter Schumann) das ganze Spektrum der Schauspielkunst. Um die Schauspieler in ihren Rollen noch kurz vorzustellen:Dieter Aschoff als Sultan Saladin, Sittah, dessen Schwester Anne Steiner-Grazol, Hildegard Neidlinger, Christin und Gesellschafterin Rechas im Hause Nathans, der junge Tempelherr Stefan Bartels, Stefan Strasser als Derwisch und schliesslich der Klosterbruder Pavel Bobrov, sowie die ebenso in ihren Rollen begeisternde Klosterbrüder und Diener Marcel Bauer, Miguel A. Hicks und Erich Uueltzhöffer.
Eine Inszenierung, die es sicher lohnt zu besuchen, Gelegenheit dazu hat man nochmals am Freitag, den 30.10.2015 um 19.30 Uhr. Mehr Informationen wie Spielplan, Anfahrt usw. erhält man HIER.
Text und Fotos : Hans-Joachim Janik – www.kraichgaulokal.de